Rückblicke
Gelungener Abschluss der Meinrad-Inglin-Tage
Am Samstagabend konzertierte die Camerata Schweiz unter der Leitung von Graziella Contratto im MythenForum. Das Konzert beeindruckte vielfältig. Zum einen hörte man Musik, die Bettina Zweifel, Inglins spätere Frau, als Mitglied des Kammerorchesters Zürich gespielt hatte. Zum Teil hat die Dirigentin einzelne Stücke auf die Grösse des Orchesters zugeschnitten bzw. bearbeitet. Präsenz und Interpretationslust des Orchesters waren beeindruckend. Als Hörer gewann man Achtung vor der Geigerin Bettina Zweifel, denn die Stücke waren sehr anspruchsvoll. Die Sopranistin Amelia Scicolone interpretierte mehrere Lieder. Leider konnte man die Liedtexte nur teilweise verstehen. Da wäre die Abgabe der Texte für die Konzertbesucher wertvoll gewesen. Zwischen den Musikstücken las Désirée Meiser Briefe, die sich Meinrad und Bettina geschickt hatten. Man gewann dadurch einen tiefen Einblick in die lange dauernde Beziehung, bis es zur Heirat kam. Noch etwas ist hier anzumerken: Inglin hat auch komponiert. Das wussten wohl nicht viele. Als Welturaufführung kam es zu einem Stück für zwei Violinen Inglins. Ganz beachtlich war das.
Am Sonntagmorgen feierten Abt Urban Federer und Reto Müller Gottesdienst. Sie liessen sich von Meinrad Inglins Schaffen inspirieren und predigten wechselweise, ausgehend von Zitaten aus Inglins Werken. Im Mittelpunkt stand Inglins skeptische Haltung gegenüber der katholischen Kirche, deren Vertreter seinen Roman damals ja verteufelt hatten. Für Inglin standen Freiheit des Denkens und Achtung des Menschen und der Natur sowie das Sein in einem grossen Ganzen an oberster Stelle. Die Organistin Rita Weber spielte unter anderem Stücke, die die Landes- und Naturverbundenheit des Schriftstellers untermalten. Der Gottesdienst darf durchaus als würdigen Programmpunkt bezeichnet werden. Anzumerken ist noch, dass Inglins Kirchenskepsis von den Jahrgängern um mich herum gut nachvollziehbar ist. Wir erlebten den Klerikalismus und die Unantastbarkeit des Priesters jener Zeit auch noch hautnah.
Am Nachmittag fanden die Inglin-Tage ihren Abschluss. Im Ital-Reding-Haus stellte Beatrice von Matt, der wir die grosse Biographie zu Meinrad Inglin verdanken, den Menschen und Schriftsteller in der Schwyzer Gesellschaft dar. Sie hob in ihrem brillanten Referat die Bedeutung Inglins als Deuter unserer Welt vor. Deuter aber nicht einfach der Schwyzer Welt, sondern der der Schweiz als Ganzes. So kann man auch die Welt in Ingoldau verstehen. Inglins schriftstellerische Entwicklung ist beispielhaft. Im abschliessenden von Stefan Zweifel geleiteten Gespräch mit Beatrice von Matt, Graziella Contratto und Georg Suter wurden einige Gedanken vertieft und es kam auch zu Statements, wie man den Weg zum Werk Inglins gefunden hat. Und – auch wenn «Die Welt in Ingoldau» auch viele Zeichen eines Erstlings hat, so muss man festhalten, dass dieser Roman die Begabung des Autors zur Genüge zeigt. So hat mich Paul Kamer im Gymnasium damals angeregt, nicht die überarbeitete Fassung, sondern die Erstfassung des Romans zu lesen. Da würde man den Impetus des jungen Schriftstellers besser erfahren. Recht hatte er.
Viktor Weibel